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MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG
Nr. 5 (588) MÄRZ 2023
K ONZER T | REST A U RANT | B ÜHNE
K I N O|R E
In der Welt der „Freiheit“
Reise durch eine Kosmetikfabrik
Die industrielle Geschichte Mos-
kaus ist ein Thema, das viele Svoboda (2)
interessiert. Umso mehr, wenn
die Rede von der Fabrik namens
„Freiheit“ ist. Hier kann man
einen Ausflug sowohl in die Sow-
jetvergangenheit als auch in die
Geschichte vor der Revolution
machen.
Von Anna Braschnikowa
Die Düfte, die in der Produkti-
onshalle in der Luft schweben,
versetzen die Erwachsenen in ihre
Jugendzeit zurück. Heute wird am
Fließband eine der beliebtesten
Cremes der „Freiheit“ verpackt –
„Gerontol“. „Wir kaufen gleich
zehn Packungen, damit es für den
ganzen Winter reicht“, sagt eine
der Exkursionsteilnehmerinnen.
Offensichtlich braucht die Creme Werbung von „Freiheit“: von der vorrevolutionären Zeit (links) bis zum sowjetischen Design (rechts)
unter ihren Konsumenten keine
Werbung. Sie sind vom Preis sehr ablassend. Sie hört solche Fra- mehr als 40 Prozent natürliche Öle mit mehreren Fließbändern, über hunderts überstieg das Sortiment
angetan, nur 100 Rubel für eine gen nicht zum ersten Mal. „Diese enthält, kommt sie in eine Alumi- die in endlosen Reihen Seifenstü- der „Gesellschaft A. Ralle & Co.“
Tube. Es entsteht der Eindruck, Markierungen sind ausschließlich niumtube. Die Fette oxidieren bei cke ihrer Verpackung entgegen- bereits 600 Warenbezeichnungen
dass trotz der modernen Ausrüs- für die Maschine bestimmt, die Sauerstoffzufuhr, deshalb ist es am strömen. In der Halle herrscht und die Fabrik gehörte zu den
tung und vollständigen Automati- danach festlegt, wie das mit der besten, wenn so wenig wie mög- der typische Seifengeruch, der Hoflieferanten des Zaren.
sierung des Produktionsprozesses Creme gefüllte Plastikrohr rich- lich Sauerstoff in der Verpackung aus einem Aromengemisch von Nach der sozialistischen Revolu-
bei der Preispolitik der Fabrik bis tig verschlossen werden muss“, ist. Eine metallische Tube verän- dreißig Sorten entsteht: von der tion von 1917 beendete die Han-
heute Kommunismus herrscht. erklärt Jelena. „Die in der Maschi- dert nach dem Draufdrücken ihre „Haushaltsseife“ bis zur „Seife für delsgesellschaft ihr Dasein. Die
Einer der Teilnehmer fragt nach ne installierte Fotozelle unter- Form, und das bedeutet, dass darin die russische Banja“. Heute wird Bolschewiken verstaatlichten das
der Markierung auf der Rücksei- scheidet überhaupt keine Farben. kein Platz für Sauerstoff ist. Zu die Feinseife „Grüner Tee“ abge- Werk und benannten es in „Staat-
te der Tube. Es geht das Gerücht All diese bunten Markierungen Sowjetzeiten hat die „Freiheit“ für packt. „Möchte jemand ein Stück liches Seifenwerk №4“ und später
um, dass diese Markierungen eine sind für sie nur Grautöne. Deshalb die Kosmonauten Tuben geliefert, heiße Seife in die Hand nehmen?“, in „Staatliche Seifen- und Kosme-
geheimnisvolle Bedeutung haben. kann die Markierung eine beliebi- in denen Borschtsch, Kaviar, Dick- fragt Jelena Alechina. Und ein tikfabrik Freiheit“ um. Die Par-
Die schwarze Markierung angen- ge Farbe haben – Grau, Schwarz, milch und andere Mahlzeiten für grünes Stück wirklich warmer und fümproduktion übergaben sie an
lich bedeutet, dass die Zahncreme Blau usw., aber in der Regel wird die Eroberer des Weltraums ver- duftender Seife geben die Exkur- die Fabrik „Sarja“ (Morgenröte),
oder die Creme vollständig aus immer die dunkelste Markierung packt wurden. sionsteilnehmer mit kindlichem und die „Freiheit“ führte die Pro-
synthetischen Stoffen besteht, die genommen.“ Als nächste Station der Füh- Vergnügen von Hand zu Hand duktion von Hygieneartikeln wei-
grüne Markierung, dass es nur Jelena lüftet noch ein Geheimnis. rung kommt die Werkhalle der weiter. ter, nun aber schon für die breiten
natürliche Bestandteile sind. Jele- Die Cremes werden nicht einfach Seifen. Die Verpackungshalle der Die Produktion ist ohne Abfäl- Volksmassen.
na Alechina, die die Gruppe durch so in Tuben verschiedenen Mate- Seifen sieht genauso aus, wie man le, denn die Seifenstücke, die nicht Während der Führung kann man
das Werk führt, lächelt etwas her- rials abgepackt. Wenn die Creme sie sich vorstellt: eine große Halle verpackt wurden, werden wieder auch eine historische Ausstellung
verarbeitet. Die fertige Seife wird mit Mustern aus der Produktion
automatisch in die Schachtel von „Ralle & Co.“ und der „Frei-
verpackt. Wenn man sich diese heit“ in Augenschein nehmen. Und
Abläufe anschaut, ist es schwer danach kann sich jeder als Meister
vorstellbar, dass noch vor einem der historischen Herstellung von
Jahrhundert in dieser Halle eine Seifen, Cremes oder Zahnpasta in
große Anzahl von Arbeitern die einer der angebotenen Meister-
Seife per Hand eintüteten und ver- klassen versuchen. Als angeneh-
packten. Die Geschichte der „Frei- mes Mitbringsel nimmt jeder ein
heit“ beginnt bereits im Jahre 1843. Geschenk aus der „Freiheit“ mit.
Damals gründete der Moskauer Detailliertere Informationen über
Kaufmann französischer Abstam- die Führungen kann man auf fol-
mung Alfons Ralle die Parfüm- und gender Webseite finden:
Kosmetikfabrik. Ende des 19. Jahr- www.svobodako.ru/ekskursii
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Auch Kinder sind von der Führung begeistert.