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12 LE TZTE SEITE MOSKAUER DEUTSCHE ZEITUNG
Nr. 5 (588) MÄRZ 2023
VK Wse svobodny Frieden für die Welt? Blumen dem Tyrannen
SCHARFGESTELL T
St. Petersburg. Man muss bei der Wahl der Gegenstände und vor
allem bei Beschriftungen, die im Schaufenster zu sehen sind, immer
aufpassen. Das weiß jetzt die Buchhandlung „Wse svobodny“ (Alle sind
frei) in der Nekrassow-Straße in St. Petersburg. Als die Schaufenster-
scheibe mit dem Slogan „Frieden für die Welt“ dekoriert wurde, hat sie
jemand beschädigt. Das Schaufenster hat jetzt ein Einschussloch von
einer Kugel. Die Mitbesitzerin der Buchhandlung will allerdings kein Sergej Kiseljow/AGN Moskwa
Ermittlungsverfahren einleiten lassen. „Ich habe nicht den Wunsch [die
Polizei zu rufen], ganz offen gesagt. Die Polizei hat genug Aufgaben,
die wirklich wichtig sind. Wir wollen keine Märtyrer werden, in der
Welt passieren derzeit Dinge, die viel schrecklicher sind.“
Ohne Wodka bitte
Nischni Nowgorod. Wenn ein Tier
verletzt ist, kommt es nicht selten zu
den Menschen, damit sie ihm helfen
können. Das war auch in der Stadt
Bor im Gebiet Nischni Nowgorod
der Fall. Auf einem Friedhof dieser HINTERLAND
Stadt haben zwei Mitarbeiter der Der Anfang des März ist in Russland den Frauen gewidmet. Man feiert
Friedhofsanlage einen Fuchswelpen den Internationalen Frauentag auf großem Fuß: In der Familie und auf
bemerkt. Das Tier war offensicht- der Arbeit kümmern sich Männer um Geschenke, und natürlich schen-
lich verletzt, es hatte einen Fuß ken sie ihren Müttern, Ehefrauen, Töchtern und Kolleginnen Blumen.
nachgezogen. Die Männer konnten Das alles empfinden alle als normal. Was einige in Russland aber wun-
es nicht so lassen und beschlossen, dert, sind Blumen, die man in Moskau in diesen Tagen einem Mann
dem Welpen zu helfen. Sie haben bringt, und zwar Josef Stalin. Der sowjetische Machthaber starb am
ihn gefangen und ihm ein „bewähr- 5. März vor 70 Jahren und wird bis heute von manchen Russen geehrt
tes Volksheilmittel“ gegeben. Die Aufs Klo in die Küche und geliebt. Man nennt ihn auch heute noch einen der wichtigsten -
„Retter“ haben eine halbe Flasche wenn nicht den besten - Politiker aller Zeiten. Viele Umfragen zeigen,
Wodka ins Maul des armen Tie- Omsk. Während ein Problem beseitigt wird, kann plötzlich ein ande- dass sich die Russen so einen Führer sehr wünschen. Früher pflegte
res gegossen, berichtete der staat- res entstehen. In der westsibirischen Metropole Omsk haben sich die man zu sagen, Stalin-Verehrer seien fast ausschließlich Vertreter der
liche Tierarztnotdienst. Jetzt wird Bewohner eines Wohnheims bei der Staatsanwaltschaft über einen älteren Generation. Sie sind mit diesem Namen aufgewachsen und
der Fuchswelpe bei professionellen Spalt in der Ziegelwand des Gebäudes beschwert. Diesen Auftrag hat haben entweder von den Repressionen nichts gehört oder rechtfertigen
Tierärzten behandelt. Sie betonen, der lokale Renovierungsdienst übernommen. In kurzer Zeit haben Bau- sie. Tatsache ist, dass sich den Kolonnen der Kommunisten, die zum
dass es eine schlechte Idee ist, ver- arbeiter die Wand abgebaut, um später eine neue zu errichten. Das Grab des Tyrannen kommen, um da Blumen niederzulegen, auch ganz
letzte und auch gesunde Füchse auf Problem besteht darin, dass sich hinter dieser Wand alle Sanitärinstal- junge Menschen anschließen. Wer erzählt noch über die Verbrechen
den Arm zu nehmen, geschwei- lationen befinden. Die Arbeiter haben alle Klos vorläufig in die Küchen Stalins? Die Menschenrechtsorganisation „Memorial“, die das tat, ist
ge denn Wodka als Heilmittel zu des Heimes verlegt. Wie man sie benutzen soll und wie man in so einer in Russland als ausländischer Agent eingestuft. ib
verwenden. Nachbarschaft Essen zubereiten kann, ist unklar.
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